Rundherum Main-Spessart

Wo Geschichte sichtbar wird – historis che Grenzen und Straßen D em steht ein völlig entgegengesetztes Spessartbild in den vergangenen Jahrhunderten gegenüber. Die wichtigen Verkehrsver- bindungen verliefen mit Ausnahme der Leipziger Straße nicht in den Tälern, sondern auf den Höhenrücken! Dabei machten sie sich das Relief zunutze: Der Spessart besteht aus einem zusammenhän- genden Höhenrückensystem, das durch einzelne Täler in einzelne Höhenzüge gegliedert ist. Die historischen Wege folgten den Hö- henrücken und ermöglichten so, die Mittelgebirgsbarriere Spessart mit relativ geringen Höhenunterschieden zu überqueren. D er Anstieg aus den Tälern auf die Höhen war allerdings an- spruchsvoll. Und so wurden Gespanndienste geleistet und zusätz- liche Zugtiere den Wagen vorgespannt. Vermutlich hat sich aus diesen Diensten das berühmte Frammersbacher Fuhrmannswe- sen entwickelt. Über die Wiesener Straße – einen Zubringer zur Birkenhainer Straße – bereisten die Frammersbacher Fuhrmän- ner im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit den mitteleuro- päischen Raum und unterhielten beispielsweise in Antwerpen ein eigenes Zunfthaus. D ie Erschließung von „außen“ ist heute noch an der Lage der Städte abzulesen. Es hat sich kein zentraler Hauptort des Spessarts entwickelt, vielmehr liegen die größeren Zentren wie z.B. die Main-Spessarter Städte Gemünden, Lohr und Marktheidenfeld im Maintal. Aber nicht nur die Siedlungen, auch der Verkehr konzentriert sich in den Tälern von Main, Sinn und Kinzig, die den Spessart räumlich definieren: Neben der Bundeswasserstraße Main führen Eisenbahntrassen, Autobahnen und Bundesstraßen in den Tälern entlang. E rschlossen wurde der Spessart von den Randlagen her. Ver- schiedene Landesherren wie z.B. die Erzbischöfe von Mainz, die Grafen von Rieneck, die Grafen von Wertheim oder die Bischöfe zu Würzburg etablierten sich im Spessart und meldeten Besitzansprüche an. Dabei bildete der Spessarthauptkamm nicht nur die Klima- und Wasserscheide, sondern schon immer auch eine Territorialgrenze. Die berühmten und verbrieften Räuberbanden waren auch deshalb hier aktiv, weil es keine grenzübergreifende Verfolgung gab. D er Spessart – um ihn ranken sich viele Sagen und Geschichten, und seine dichten, weitläufigen Wälder sind fast schon sprichwörtlich. Auch aufgrund der für Mittelgebirge typischen Relief- und Klimabedingungen stellte seine Besiedlung und Nutzung durch den Menschen eine besondere Her- ausforderung dar. Trotzdem wurde der Spessart in früheren Jahrhunderten intensiv genutzt (siehe auch Seite 8/9), und mancher heute einsam gelegene Ort befand sich damals direkt an den stark frequentierten Fernverkehrswegen. Text: Dr. Jürgen Jung, Archäologisches Spessart- projekt e.V. Auf geschichtsträchtigen Wegen E in ganzes Netz an historischen Routen lässt sich heute noch ermitteln. Der Eselsweg – einer der sogenannten Altwege, der als Heer- und Handelsweg wohl schon seit 2000 Jahren in Gebrauch ist – führt von Großheubach nach Schlüchtern, die Birkenhainer Straße von Hanau nach Gemünden, die Poststraße von Aschaffenburg nach Würzburg oder die Lohrer Straße von Aschaffenburg nach Lohr. A uf den Hochflächen lassen sich die exakten Routen der Altwege nur andeutungs- weise erfassen. Die An- bzw. Abstiege, bei denen der Boden vor allem beim Hinunterfah- ren stark durch Zugtiere und Wagenräder beansprucht wurde, sind jedoch sehr deut- lich in Form von Hohlwegen erkennbar. Das Wagengespann wurde dabei effektiv durch das Blockieren der Räder oder durch einen Bremsklotz im Boden abgebremst. Durch abfließendes Regenwasser und Bodenerosion in der Fahrspur entstanden linienhafte Eintiefungen. Diese sind heute deutlich als Hohlwege in der Landschaft erhalten. War eine Fahrspur unbrauchbar, erschloss man sich parallel zu ihr einen neuen Weg. Diese Hohlwege-Bündel bilden ein heute noch sichtbares und beeindruckendes Element der Kulturlandschaft im Spessart. Z um Teil lassen sich die früheren Routen heute auf modernen Wegen erwandern und bieten so die Möglichkeit, den Spessart mit seinem historischen Erbe und seiner beeindruckenden Natur- schönheit zu erkunden. 5 Auf den zahlreichen Kulturwegen des Archäologischen Spessartprojekts wird die Kulturlandschaft Spessart erlebbar und begreifbar: www.spessartprojekt.de Einige der historischen Wege sind als Fernwanderwege ausgezeichnet, z.B. Eselsweg und Birkenhainer Straße: www.spessart-mainland.de ¬ Reisethemen ¬ Wandern ¬ Fernwe(h)ge Für interessierte Wanderer! 4

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