Table of Contents Table of Contents
Previous Page  16 / 128 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 16 / 128 Next Page
Page Background

bunte Palette der Produkte, unter denen die in der

Rechtenbach-Lohrer Manufaktur hergestellten Loh-

rer Spiegel besondere Aufmerksamkeit genießen.

Dieses Kreismuseum im Lohrer Schloss, besonders

der Kulturgeschichte des Spessarts – vom Spes-

sartglas und Sandstein bis zum Spessarträuber –

verpflichtet, wartet neben dem Räuber mit Schnee-

wittchen als zugkräftiger Symbolfigur auf. Das im

14. Jahrhundert am Rande der planmäßig erweiter-

ten Stadt von den Grafen von Rieneck angelegte

Schloss wurde im 15. Jahrhundert umgestaltet und

im 16. Jahrhundert umgebaut. Nach dem Aus-

sterben der Rienecker wurden die Baumaßnahmen

von Kurmainz abgeschlossen, dem das Gebäude

als Amtssitz diente. Am Schloss selbst, aber auch

vielerorts im Stadtbereich, stößt man auf Reste

der Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert, welche

die Stadt – kaiserliche Bestätigung der Stadtrechte

von 1333 – einst ringsum einschloss. Mittelpunkt

der Stadt und des Marktplatzes ist das 1599 bis

1601 von dem Lohrer Michael Imkeller errichtete

Rathaus, dessen Giebel 1804 klassizistisch umge-

staltet wurde. Den Marktplatz und das Rathaus

umstehen Fachwerkhäuser – einige mit prächtigen

Renaissanceportalen. Nach dem Überqueren von

Lohrtorstraße und Turmstraße gelangt der Besu-

cher in den ältesten Teil der Stadt, im Kreis um die

Stadtkirche St. Michael gelegen.

Über Vorgängerbauten entstand die romanische

Kirche aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts,

aus dem Ende des 15. Jahrhunderts stammen Chor

und Westturm. Im Innern besonders sehenswert

sind die Grabdenkmäler der ehemaligen Lohrer

Stadtherren, der Grafen von Rieneck, und ihrer

Lehnsleute und Beamten. An der Stelle der alten

Rienecker Burg, nur wenige Meter von der Pfarrkir-

che entfernt, entstand 1650 das Kapuzinerkloster

mit seiner Kirche. Lohr, das „Tor zum Spessart“, ist

die größte Siedlung des Kreises Main-Spessart und

setzt mit heutigen Industriebetrieben die Tradition

der früheren Eisenhämmer und Glashütten fort.

Vorbei am Bayersturm, dem mächtigen Stadtturm

aus der zweiten Häfte des 13. Jahrhunderts am

Eingang der Fischervorstadt, von dem aus sich ein

reizvoller Blick auf die Stadt bietet, verlassen wir

die Stadt mainabwärts in Richtung Neustadt. Um

770 wurde die in der Karolingerzeit mächtige und

mit dem Reich verbundene Abtei Neustadt vom

Würzburger Bischof Megingoz gegründet. Gele-

gen an einer von Norden nach Süden, zwischen

Tauberbischofsheim und Fulda verlaufenden alten

Fernverkehrsstraße, der „via publica“, war die

Abtei in den Anfangsjahren in die Missionierung

der Sachsen eingebunden. Bei Ungarneinfällen

im 10. Jahrhundert stark beeinträchtigt – als

Zufluchtsorte in diesen Zeiten dienten der „Kelten-

wall“ auf dem nahen Gaiberg und der Ringwall bei

der Michaelskapelle – wurde die Abtei dem Bistum

Würzburg unterstellt (993) und verlor weitgehend

ihre überörtliche Bedeutung. Die Säkularisierung

1803 vernichtete das Kloster als Institution, eine

Brandkatastrophe 1857 einen großen Teil der

Klosteranlage. Der Wiederaufbau der Pfarrkirche,

der ehemaligen Klosterkirche, 1869 bis 1879 unter

Leitung von Heinrich Hübsch, der u. a. für die

Restaurierung des Kaiserdoms in Speyer verant-

wortlich war, und vor allem die Errichtung einer

klösterlichen Niederlassung der Dominikanerinnen

1907 haben das Areal der ehemaligen Abtei vor

allem seit den 60er-Jahren mit Neubauten und

Umnutzung der vorhandenen Gebäude wieder

belebt. Frühmittelalterlich sind die Grundmauern

und die aufgehende Vierung der ehemaligen Peter-

und-Pauls-Kirche, von der eine kreuzgangartige

Verbindung zur um 1150 errichteten Klosterkirche

führt. Trotz umfangreicher Umbauten zu Beginn

des 17. Jahrhunderts und der neuromanischen

Rekonstruktion nach dem Brand repräsentiert

der Bau eine bedeutende, unter Hirsauer Einfluss

entstandene romanische Kirche. Besonders erwäh-

nenswert von der Innenausstattung sind die roma-

nischen Steinreliefs und die in einer Nebenkapelle

aufbewahrten Porträts Neustadter Äbte sowie das

Lapidarium mit seinen steinernen Zeugnissen der

Klostergeschichte. Oberhalb der Klosteranlage liegt

innerhalb einer frühmittelalterlichen Befestigung

und der Friedhofsmauer die im Kern romanische

St.-Michaels-Kapelle, früher Pfarrkirche, heute als

Friedhofskapelle genutzt. Ausgrabungen haben

zwei steinerne Vorgängerbauten nachgewiesen; die

älteste Kirche ist möglicherweise auf das Ende des

8. Jahrhunderts zu datieren.

Zeugen Neustadter Historie finden wir auch in den

Orten ringsum, seien es die Klosterhöfe Marga-

rethenhof und Einsiedel und die Klosterhöfe in

Pflochsbach, Hafenlohr, Karbach, Ansbach und

Steinfeld, sei es die Kreuzigungsgruppe von 1560

auf dem Friedhof in Roden. An der Erschließung

des östlichen Spessarts und der vom Main einge-

fassten Marktheidenfelder Platte mit Wiesenfeld,

Steinfeld, Urspringen und Birkenfeld als den größ-

ten Orten hatte Neustadt einen großen Anteil. Mit

Neustadt hängt auch die Entstehung von Rothen-

fels zusammen, dessen Burg 1148 vom Vogt des

Klosters erbaut wurde. Seit der Mitte des 14. Jahr-

hunderts diente die Burg als Amtssitz des Hoch-

stiftes Würzburg. Seit 1919 gehört sie Quickborn

bzw. den Freunden der Burg Rothenfels. Vorburg

und Kernburg, deren Mittelpunkt der aus mächti-

gen Buckelquadern erbaute Bergfried ist, werden

heute als Jugendherberge und Bildungszentrum

genutzt. Nicht vergessen werden darf, dass die

Burg Rothenfels in den 20er-Jahren u. a. mit dem

Philosphen Romano Guardini und dem Architek-

ten Rudolf Schwarz (1897 – 1961) Maßstäbe für

die Kirche in der Liturgie und in der Architektur

gesetzt hat. Eingezwängt zwischen dem steil

aufragenden Berg, auf dem die trutzige Burg

thront, der auf dem ehemaligen Eisenbahndamm

verlaufenden Umgehungsstraße und dem Main

liegt die malerische Siedlung, die sich als „kleinste

Stadt Bayerns” bezeichnet und deren wichtigste

Baudenkmäler um 1600 auf Initiative des Würz-

burger Fürstbischofs Julius Echter entstanden:

das vom Lohrer Baumeister Michael Imkeller

erbaute Rathaus, das Spital und die dahinter

gelegene von Peter Meurer errichtete Pfarr-

kirche. Sakramentshäuschen, Kanzel und Taufstein

entstammen der Erbauungszeit. Sehenswert sind

auch die Grabdenkmäler sowie die Zunftstangen.

Eingemauert in die Außenmauer der Kirche wurde

der Grundstein des Mattenstatter Chores. Das

im 13. Jahrhundert entstandene kleine Kloster

Mattenstatt, gegenüber von Hafenlohr, unterstand

der Fuldaer Propstei Holzkirchen. Steine des im

16. Jahrhundert aufgelösten Klösterleins wurden

Eine Reise durch Kunst und Kultur

14