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Eine Reise durch Kunst und Kultur

und unweit der am Hermannsbrunn verlaufenden

Landesgrenze zu Hessen gelegen – zuvor jahrhun-

dertelang Grenze zwischen dem Kurfürstentum

Mainz, der Grafschaft Rieneck und der Grafschaft

Hanau –, treffen wir wieder auf die Birkenhainer

Straße. Vom Ausflugslokal aus wandern wir auf

dieser alten Fernverkehrsstraße, die sich „zum

größten Denkmal im Spessart“ entwickelt, nach

Osten Richtung Langenprozelten bis zum Kloster

Einsiedel bzw. Elisabethenzell. Die Existenz dieses

Klosters, nur noch durch Flurnamen und schon

fast nicht mehr sichtbare Überreste vor Ort im

Gedächtnis bewahrt, gelangt durch Ausgrabungen

im Rahmen des Spessartprojekts seit 2012 wieder

ins allgemeine Bewusstsein. An der Stelle der Elisa-

bethenkapelle entstand durch Stiftung der Grafen

von Rieneck 1295 vorübergehend eine Niederlas-

sung der Prämonstratenser von Oberzell, nicht

zuletzt auch Zeugnis für die Bedeutung der Straße,

die hier aufgrund der Verkehrsbelastung stre-

ckenweise sogar zweispurig ausgebaut war. Über

den alten Glashüttenstandort Ruppertshütten und

durch das Sindersbachtal, vorbei am Unterspeicher

des Speicherkraftwerks, kommen wir ins Maintal.

In Langenprozelten, das jüngst mit dem von dem

griechischen Geografen Claudius Ptolemäus (+

nach 160 n. Chr.) genannten

Locoritum

identifiziert

wurde, stieg die Birkenhainer Straße vom Zollberg

ins Tal ab; nach der Überquerung des Mains mit

einer Furt schloss die Straße u. a. an die Verkehrs-

wege auf der Hochebene zwischen Maindreieck

und Mainviereck an, die von den heutigen Geogra-

fen als Teil der Fränkischen Plattenlandschaft als

Marktheidenfelder Platte bezeichnet wird.

Zurück in Gemünden überqueren wir den Main

und folgen ihm über Hofstetten nach Süden. Auf

steil zum Maintal abfallendem Höhenzug liegt, vom

Wald umschlossen, auf der linken Mainseite die

Ruine Schönrain, auf die sich von Neuendorf am

jenseitigen Ufer ein besonders schöner Anblick

bietet. Im 11. Jahrhundert entstand Schönrain als

Priorat des Schwarzwaldklosters Hirsau. Nur noch

wenige Reste haben sich erhalten, z. B. auch das

romanische Tympanon, das in Massenbuch gezeigt

wird. Im 16. Jahrhundert wandelten die Grafen

von Rieneck die Schönrainer Klostergebäude in

ein Amtsschloss um, dessen Ruinen neben den

Überresten einer älteren Burg die Ruine Schönrain

heute ausmachen.

Seit dem 17. Jahrhundert befand sich das benach-

barte Steinbach im Besitz der Herren von Hutten.

Im Auftrag von Christoph Franz von Hutten, seit

1724 Fürstbischof in Würzburg, entstanden zwi-

schen 1719 und 1728, nur durch die Straße vonei-

nander getrennt, Kirche und Schloss. Von Joseph

Greising stammen die Pläne der Kirche, für das

Schloss wird daneben Balthasar Neumann als Bau-

meister genannt. Von Steinbach aus geleitet ein

viel begangener Weg in das Buchental, von wo man

zur Wallfahrtskirche Maria Buchen hinaufsteigt. Die

heutige Kirche auf halber Berghöhe entstand 1692

bis 1701 an diesem Ort, an dem im 14. Jahrhundert

der Überlieferung nach das Gnadenbild aufgefun-

den wurde. Von 1726 bis 2002 betreuten Kapuziner

die Wallfahrer. Von Karlstadt her führt ein beliebter

Weg über Rohrbach nach Mariabuchen. Rohrbachs

Pfarrkirche wurde 1778 nach Plänen von Johann

Philipp Geigel erbaut, zwei Figuren aus der Rie-

menschneiderschule ergänzen die klassizistische

Einrichtung von Peter Wagner. Von ihm stammen

auch Kruzifix und Figuren in der Pfarrkirche des

benachbarten Ortes Wiesenfeld. Sehenswert ist

hier auch die einer kulturellen Nutzung zugeführte

ehemalige Synagoge aus dem 19. Jahrhundert.

Von Steinbach aus nach Lohr sind es nur ein paar

Minuten. Doch bevor wir uns die Zeit nehmen, die

Stadt zu erwandern, steht lohraufwärts ein Ausflug

in den Spessart auf dem Programm. Im ehemaligen

Glashüttenstandort Partenstein, von dessen Rien-

ecker Schloss nur geringe Reste erhalten sind und

dessen zwei fast zeitgleich entstandene klassizisti-

sche Kirchen (1830/31 und 1836) vom Miteinander

zweier Konfessionen künden, entwickelte sich seit

dem Bau der Ludwig-Westbahn 1854 das Gewerbe.

Eine Besonderheit waren die zwischen 1840 und

1948 betriebenen Schwerspatgruben. Die außerge-

wöhnliche Geschichte Partensteins dokumentiert

die Sammlung „Ahler Kram“ in der alten evangeli-

schen Schule. Im Süden von Partenstein liegt auf

dem Bergsporn über dem Zusammenfluss von Lohr

und Aubach die Burg „Bartenstein“, eine Rienecker

Gründung Anfang des 13. Jahrhunderts. Einst

eine stattliche Burg, die seit dem 14. Jahrhundert

dem Kurfürstentum Mainz und den Grafen von

Hanau gemeinsam gehörte, verlor sie zum Ende

des 16. Jahrhunderts ihre Bedeutung und verfiel

nach der Eroberung durch die Schweden 1626

endgültig. Ausgrabungen seit 2003 haben nicht

nur die Bedeutung der Burg erschlossen, sondern

vor allem zu einer veränderten Einschätzung des

Spessarts im Mittelalter und der Frühen Neuzeit

geführt, der nun nicht mehr nur als Waldgebiet,

sondern als boomende Wirtschaftsregion wahrge-

nommen wird.

Nächste Ortschaft lohrbachtalaufwärts ist Fram-

mersbach. Die Heimat der vor allem zwischen

Nürnberg und Antwerpen tätigen ehemals berühm-

ten Fuhrleute, der gefragten Spediteure der Frühen

Neuzeit, liegt unweit der Wiesener Straße, die vom

späten Mittelalter bis zur frühen Neuzeit ein wich-

tiger Verkehrsweg war. Der Lohr weiter folgend

öffnet sich kurz vor der westlichen Kreisgrenze

nach rechts das Rinderbachtal, in dem noch heute

das im Spessart weit verbreitete System der Wäs-

serwiesen studiert werden kann. Bereits jenseits

der Kreisgrenze befindet sich in Heinrichsthal eine

Glashütte aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhun-

derts, die mit der in Rechtenbach 1698 errichteten

Mainzer Glasmanufaktur in Verbindung stand. Der

restaurierte französische Spiegelglasofen bezeugt

die für viele Orte des westlichen Kreisgebietes wie

für den Spessart allgemein bedeutsame Glas-

herstellung. Geistlicher Mittelpunkt der seit dem

14. Jahrhundert zahlreichen Glasmachersiedlungen

war die über Frammersbach und Wiesthal gelegene

Kreuzkapelle, bevor im 15. Jahrhundert in den

nun entstandenen Gemeinden eigene Pfarreien

errichtet wurden. Als Mittelpunkt von Wallfahrten

konnte sich die mitten im Wald auf einer Lichtung

gelegene Kapelle bis heute erhalten.

Dokumentiert die Glashütte in Heinrichsthal die

Produktionsweise, so präsentiert die umfangreiche

Glassammlung im Spessartmuseum in Lohr die