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Biosphärenregion: Wie der „Natur­park 2.0“ aussehen könnte

Kommt das „Biosphärenreservat Spessart“? Sachgebietsleiter Sebastian Kühl blickt in die Zukunft dieser Kulturlandschaft.

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Biosphärenregion: Wie der „Natur­­­park 2.0“ aussehen könnte

Kommt das „Biosphärenreservat Spessart“? Sachgebietsleiter Sebastian Kühl blickt in die Zukunft dieser Kulturlandschaft.

Wertvolle Streuobstbestände, Raritäten wie die Schachblume im Sinngrund oder die seltene Herbstdrehwurz, Luchs und Wildkatze, alte Laubwälder und extensiv genutzte Wiesen und Weiden in den Bach- und Flusstälern – der Naturpark Spessart ist eine Schatzkammer der Biodiversität. Hier gibt es noch Arten und Lebensräume, die anderswo längst verschwunden sind. Angesichts des Klimawandels, des Artensterbens und der Auswirkungen der Globalisierung stellt sich jedoch auch im Spessart die Frage, wie sich die Region in Zukunft entwickeln soll.

Primäres Ziel ist, Schutz und Pflege der Kultur- und Naturlandschaft auch weiterhin mit einer angepassten Nutzung in Einklang zu bringen. Regionale Wirtschaftskreisläufe, die Wertschöpfung in der Region und die Lebensqualität für die Menschen sollen gefördert und nachhaltig ausgerichtet werden. Inwieweit die Ausweisung eines Biosphärenreservats bei der Erreichung dieser Zielsetzung helfen kann, soll eine Machbarkeitsstudie klären. Sie soll den Weg zur Biosphärenregion beschreiben und Rahmenbedingungen beleuchten. „Das Biosphärenreservat, das ich lieber als Biosphärenregion betitle, verfolgt drei Funktionen. Einerseits die Schutzfunktion, aber auch eine Entwicklungsfunktion zu einem nachhaltigeren Leben sowie einer Forschungs- und Bildungsfunktion“, stellt Sebastian Kühl, Leiter Sachgebiet Landkreisentwicklung, das Projekt vor.

Was sagt die Bevölkerung dazu? Kühl sieht viele Vorteile in diesem „Naturpark 2.0“. Einerseits stärke es regionale Wirtschaftskreisläufe, was für landwirtschaftliche Erzeugerinnen und Erzeuger von großem Vorteil sei. Auch der Tourismus profitiere, es können übergeordnete regionale Vermarktungsansätze gefunden werden. Und nicht zuletzt sei eine Biosphärenregion auch ein Aushängeschild für mehr Attraktivität, die den Weggang von jungen Menschen bremsen könne. Offen ist jedoch, ob alle Akteure in der Region das so sehen, weshalb der Landkreis Main-Spessart, der Landkreis und die Stadt Aschaffenburg sowie der Landkreis Miltenberg die Bevölkerung eng einbinden wollen. Zum Auftakt der Machbarkeitsstudie sind Bürgerforen vorgesehen. In Facharbeitsgruppen erörtern Expertinnen und Experten Chancen wie auch Risiken mit Handlungsansätzen und auf einer Onlineplattform wird es die Möglichkeit geben, sich zu beteiligen. „Wir stehen bereits mit allen relevanten Akteuren im Austausch und werden in Kürze auch eine neue Stelle schaffen, um den hohen Stellenwert dieses Projekts zu zeigen“, betont Kühl. Jetzt gehe es darum, zu erfahren, wie die Region zu einer Biosphärenregion stehe, sagt Kühl. Und ergänzt: „Dazu werden wir einen externen Dienstleister engagieren, der sich genau mit dieser Fragestellung beschäftigt.“

Was alles gleich bleibt und was sich verändert Vieles, was schon heute im Naturpark gelebt wird, bleibt gleich. „Einige denken natürlich, dass eine Biosphäre so etwas wie ein Urwald ist. Wir haben hier aber eine Kulturlandschaft, die es auch weiter geben wird. Nur eine Kernfläche bleibt von menschlicher Nutzung unberührt, das sind drei Prozent des gesamten Gebiets. Darum herum gibt es eine Pflegezone und eine Entwicklungszone“, erklärt der Projektleiter. Wirtschaftliche Nutzung ist in beiden letzteren Zonen möglich, ja sogar erwünscht. „Klar gibt es Vorurteile, man dürfe im Biosphärenreservat nicht jagen und auch kein Holz schlagen“, weiß Kühl. Doch nur im Kerngebiet gebe es einen speziellen Schutz, dort wird Forschung und Monitoring betrieben – der Umwelt zuliebe.

Ob aus der Biosphäre im Spessart etwas wird, ist heute völlig offen. „Wir möchten partizipativ, ergebnisoffen und transparent arbeiten“, erläutert Kühl. Kommt das Projekt an, werde ein Plan verfolgt, der bei Zustimmung der UNESCO vielleicht schon 2027 eine Biosphärenregion in den Landkreisen Main-Spessart, Aschaffenburg und Miltenberg ermöglichen würde.

Fotos: Oliver Kaiser

Sebastian Kühl leitet seit 2020 den Bereich Landkreisentwicklung im Landratsamt Main-Spessart.